Im Bus ganz hinten by Fler
Autor:Fler [Fler]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-12T23:00:00+00:00
Endlich hatte ich meine eigene Wohnung. Das Jugendamt hatte sie mir organisiert. Das Gute war: Ich durfte sie allein beziehen und hatte
endlich meine Ruhe vor all den anderen Opfern. Das Schlechte: Sie bot nicht viel mehr Komfort als ein Rattenloch. Das Ein-Zimmer-A partment
war 20 Quadratmeter groÃ, die Fenster waren alt und undicht. Die ganze Zeit pfiff der Wind durch meine Bude, weshalb es im Winter ziemlich
kalt war. Die Küche war bei meinem Einzug total schmierig: Staub hatte sich mit altem Fett vermischt und klebte in allen Ritzen. Es roch
säuerlich. Im Bad traute ich mich vor lauter Ekel gar nichts anzufassen, die Fliesen waren komplett verschimmelt, und es stank erbärmlich.
Zum ersten Mal in meinem Leben besorgte ich mir deshalb Putzzeug und begann alles zu säubern. Ich schrubbte wie wild. Der Schweià stand
mir auf der Stirn, als ich zum zehnten Mal die Küche polierte. A ber schlieÃlich wollte ich ja hier leben, da musste ich dann auch als Mann mal
putzen. Wer sonst?
Möbel standen keine in der Wohnung, und ich hatte kein Geld, um wirklich auf Einkaufstour zu gehen. Die wenige Kohle, die ich hatte,
investierte ich lieber in Klamotten, Farbdosen und Musik. Letztendlich schleppte ich bloà eine alte Matratze in mein A partment â und einen
Gettoblaster, ein echtes Billigteil von A ldi, an das ich aber immerhin meinen Technics-Plattenspieler anschlieÃen konnte. Mehr brauchte ich
nicht. Den Rest des Raumes nahm mein Vorrat an Sprühdosen in allen Farben ein, die überall verteilt standen. Und weil die Wand im Flur
nicht verputzt war, verschönerte ich sie standesgemäà mit einem Graffiti. Ich markierte mein Revier: Jetzt war es meine Wohnung!
A ls ich endlich mit dem Umzug fertig war und mich das erste Mal auf meine Matratze fallen lieÃ, war ich irritiert von der Stille. Plötzlich waren
da keine schreienden Heimkinder mehr, die lautstark über den Gang tobten. Und auch keine brüllenden Betreuer, die mich immer so genervt
hatten. Das Einzige, was ich hin und wieder durch die dünnen Wände hören konnte, waren die streitenden Nachbarn in der Wohnung rechts
neben mir. Sonst nichts. Und auf eine seltsame A rt und Weise fühlte ich mich jetzt doch ein wenig einsam. Das wunderte mich, schlieÃlich
hatte ich mich auf meine eigene Wohnung gefreut. Was ich nicht bedacht hatte, war der entscheidende Nachteil des A lleinseins: In der Stille
konnte ich mich plötzlich nur noch auf mich selbst konzentrieren.
In den nächsten Wochen wurde mir die Einsamkeit immer unangenehmer. Sonderlich viel Besuch bekam ich schlieÃlich auch nicht. Der
Einzige, der regelmäÃig bei mir vorbeischaute, war der Mensch, der im Rahmen des betreuten Wohnens für mich verantwortlich war: Harald.
Einmal pro Woche sollte er zu mir kommen und nach dem Rechten sehen. »Hey, wie gehtâs?«, fragte er, als er das erste Mal in meiner Tür
stand. Wir redeten ein bisschen, und er erklärte mir, wann ich meine Miete zu bezahlen und wie ich mich zu verhalten hätte. A uÃerdem konnte
ich mir einmal im Monat mein Geld bei ihm abholen. Harald war ziemlich in Ordnung. Endlich mal ein normaler Typ, der mir nicht ständig auf
den Sack ging und mir relativ viele Freiheiten lieÃ.
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